Schon 1740 wurde in St. Georgen Stroh geflochten.
Grundmaterial lieferten unsere Bergfelder. Das Stroh, als Abfallprodukt des Getreides, war in seiner Qualität stark und biegsam. Da es jedoch zum Flechten von Strohtaschen und Strohschuhen noch zu hart war, wurde es in kochendem Wasser eingeweicht. Einen Tag später wurde es mit einem Holzstück nochmals weich geklopft. So sah das Strohflechten in seinen Anfängen in den Schwarzwaldstuben aus.
Durch eine große Hungersnot, die den Schwarzwald heimsuchte, war man gezwungen, nach Möglichkeiten zu suchen, die Strohflechterei produktiver gestalten zu können.
So liest man, daß 1796 der Herzogliche Rat, Karl Treffz, der von der Stuttgarter Regierung in das Oberamt St. Georgen geschickt wurde, folgendes vorschlug:
„Gebrauch des Ginsters, der Thanen - Spitzen und des Ahornlaubs zur Fütterung, und Backung eines Brods von Erdbirn, weißen Rüben und Kirbsen (Kürbis)."
Er regte die Fertigung von Strohhüten an. Um aber diese Strohflechtkunst als Gewerbe in Gang zu bringen, sollte das Stroh unentgeltlich abgegeben werden. Die Prämien wurden dann in Form von Lebensmitteln angesetzt.
1797 kam es dann zu folgendem Dekret:
"Der hiesige Schulmeister Joh. Georg Kaltenbach hat sich bereitgefunden, an der Industrieschule Unterricht im Strohflechten zu geben. Kaltenbach ließ sich hierzu zuerst von dem Vogt zu Kirnach diese Manipulation weisen, und gibt nun in der gewöhnlichen Schulstube, die deshalb nicht besonders geheizt werden darf, nach den ordentlichen Lehrstunden gegen 30 Kindern beiderlei Geschlechts Unterricht."
So wurde nach und nach in den ärmeren Schwarzwaldgemeinden Strohflechtschulen eingerichtet. Sowohl die badische, als auch die württembergische Regierung.nahmen sich der Strohflechterei an.
Was von den Flechtschulen und in den Privathäusern von Frauen und Kindern in anstrengender Arbeit angfertigt wurde, Geflecht, Strohhüte und Taschen, suchte Kaufmann Joseph Weißer zu Tagespreisen umzusetzen.
Bald zeigt sich jedoch, daß zur vollen Befriedigung der Abnehmer von Hüten eine nähere Kenntnis der Hutfabrikation nötig war, und auf Grund dieses Umstandes entstand: 1856 die Stroh und Palmhutfabrik des Andreas Weißer, einem Bruder des obengenannten Joseph Weißer.
Dieser hatte im Ausland die Strohhuttabrikation gründlich kennen gelernt und gleichzeitig auch die Anfertigung von Palmhüten. Eigens dazu brachte er aus Frankreich einen Flechter und eine Büglerin mit. Die aus gebleichten oder gefärbten, feingespaltenen Blättern der aus Kuba bezogenen Fächerpalme hergestellten Strohhüte erfreuten sich wegen ihrer Leichtigkeit großer Beliebtheit.
Andreas Weißer ließ in St. Georgen durch die französische Flechterin eine Anzahl von Mädchen unterrichten, die in der Strohflechtschule schon gut vorbereitet waren und nun die Fertigkeit besaßen, sogar aus dem Sumpfgras von Panama die sogenannten "Panamahüte" zu flechten. Für diese Hüte mußten bis zu 800 Halme gleichzeitig geflochten werden.
Solange der Palmhut in Mode war (1857-1873), flochten im Winter über 1000 Personen, im Sommer 200 - 300 für die Fabrik von Andreas Weißer.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts verlor durch Modewandel und ausländische Billigkonkurrenz die Fa. Andreas Weißer ihre Abnehmer, und die Frauen fanden danach in der aufstrebenden Uhrenfabrikation die notwendige Beschäftigung.